Wie alles begann … Ein Rückblick in die Gründungszeit des Vereines „IG Historischer Erzbergbau Lößnitz e.V.“
Jens Hahn
Nachdem bereits im August 1985 durch die Bernsbacher und Oberpfannenstieler Himatfreunde Fritz Friedrich und Ulrich Lehner der Versuch unternommen wurde,
das historische Siedlungs- und Bergbaugebiet „Kutten“ im Stadt- und Gotteswald zwischen Lößnitz, Aue/Sachs. und Oberpfannenstiel näher zu erforschen, zu dokumentieren und der Bevölkerung zugänglich zu machen, musste dieses ehrgeizige Vorhaben zunächst auf die Umsetzung warten. Es bleib bei einer Artikelserie in der „Freien Presse“ unter der Rubrik: „Volkskorrespondenten berichten“ und drei neuen Bänken entlang des Kuttenbachtales. Diese robusten Betonbänke mit Holzbelattung stehen noch heute!

Frustriert mussten Friedrich und Lehner feststellen, dass es vor allem am Willen der damals zuständigen Gremien und Massenorganisationen mangelte, den Bären- und Kuttengrund zum Naherholungs- und Geschichtslehrpfad aufzuwerten. Die Zeit war für so ein Projekt einfach noch nicht reif. Es mangelte an Material und seien es nur ein paar Dosen Farbe oder Rohre für die geplante Beschilderung. Als Friedrich 1986 verstarb, starb zugleich die Berichterstattung und Dokumentation über das bis ins 15. Jahrhundert zurückreichende Bergbaugebiet. Die vom zeichnerisch begabten Ulrich Lehner angefertigten Skizzen und Zeichnungen blieben in der Schublade, in der Hoffnung auf bessere Gelegenheiten. Eins solche kam dann eher unerwartet, denn bereits vorher und unabhängig von Lehner, hatte sich der Verfasser auch für dieses geschichtsträchtige Gebiet interessiert, Nachforschungen im Gelände angestellt und Fotos gemacht.
Als die Liquidation dessen damaligen Arbeitgebers, des Messgerätewerkes Zwönitz, 1990/91, unmittelbar bevor stand, schien die Gelegenheit günstig, das in der Schublade und Zeitung verschwundene Lehrpfadprojekt im Kuttengrund herauszukramen. Drei ebenfalls von Arbeitslosigkeit betroffene Kollegen des Verfassers und heutigen Vereinsvorsitzenden unterstützten die Idee und waren zunächst froh über eine weitere gemeinsame Arbeitsstätte, wenn auch nur auf Zeit.
Es musste geklärt werden, wer in den Zeiten des politischen Umbruches überhaupt für das Gelände zuständig sei. Bereits zu Jahresbeginn 1991 wurden die ersten Behörden kontaktiert, um das um 1956 zugesprengte Gewölbemundloch des Reichenbach-Hoffnung-Stolln wieder öffnen zu dürfen. Hier sollte es nach dem Willen der kleinen Truppe losgehen. Es war ein äußerst steiniger, wenn auch bedeutend einfacherer Weg als in heutigen Tagen. Die Wasserwirtschaft, Energieversorgung und das Auer Klinikum spielten eine Rolle. Letzeres bezog aus einem Tiefbrunnen neben dem Rumpelsbach das Wasser für ihr Dialysezentrum. Es war ja absehbar, dass sich bei Öffnung des Mundloches eine Unmenge an ockerhaltigem Wassers in den Bachlauf ergießt. Die damalige Forstbehörde in Grünhain versprach hingegen Unterstützung, sofern der Waldbestand keinen Schaden nimmt. Sogar vor Ort gelagerte Restbestände an gefälltem Schwachholz durften kostenlos genutzt werden. Später beteiligte sich das Forstamt sogar mit eigenen Instandstzungsarbeiten alter Bachquerungen entlang des Kuttenbaches. Der BUND Naturschutz folgte 1992/93 im Zusammenwirken aller Waldbesitzer mit der Instandsetzung des mehr als 100 Jahre trocken gelegenen Kuttenteiches, dem einstigen Staubecken für die zahlreichen Bergwerks- und Hüttenanlagen im Talgrund.
Letztendlich galt es, die Stadt Lößnitz als Grundeigentümer des Waldgebietes rund um den sogenannten Begräbnisberg von der Idee eines Geschichtslehrpfades und den angedachten Rekonstruktionsarbeiten zu überzeugen und als Träger einer gerade erst aufgekommenen AB-Maßnahme zu gewinnen. Soeben erst durch die Rückübertragung des Waldes in den Besitz gekommen, wusste man zunächst nur wenig über die geschichtsträchtigen Hinterlassenschaften. Doch das von der kleinen Truppe entwickelte und auch mit einer gewissen Nachhaltigkeit geplante Projekt schien den Stadtvätern zu gefallen.

So kam es, dass am 22. Juli 1991 fließend von der Werkbank zu Hacke und Schaufel im Kuttengrund gewechselt werden konnte. Eine der ersten ABM-Maßnahmen im Arbeitsamtsbereich Aue und der Stadt Lößnitz wurde aus der Taufe gehoben. Jedwedes Werkzeug musste zunächst selbst besorgt werden. Einen alten Bauwagen des vormaligen Kreisbaubetriebes, der offenbar bereits beim Autobahnbau in den Dreißigern dabei war, wurde spontan von der gerade erst gegründeten Tiefbaufirma Hahn aus Zwönitz mit aller Ausstattung kostenlos zur Verfügung gestellt. Weitere Gerätschaften folgten später aus dem Finanzbudget der AB-Maßnahme. Einen alten Elterleiner DDR-Schubkarren („Eisenschwein“) brachte einer der Mitstreiter mit.
Nur wenige Tage vor Arbeitsbeginn machten die vier eine sonderbare Entdeckung. Wie von Geisterhand und ohne eigenes Zutun begann sich das Mundloch über Nacht zu öffnen! Schließlich stellte sich heraus, dass ein paar „Radonsüchtige“ auf eigene Faust das Mundloch zu öffen versuchten. Sollten unsere sauer erkämpften Genehmigungen gar keinen Wert haben? Die Bergbehörde machte dem Treiben schließlich rasch ein Ende. Inzwischen hatte auch Ulrich Lehner von der jungen Bergbaubrigade aus Zwönitz und Lößnitz gehört und beobachtete das Treiben abseits der Arbeitszeit mit seinem Sohn Ingo. Fast täglich kamen bei den Ausschachtungen irgendwelche Fundstücke ans Tageslicht und sei es auch nur eine alte Brille. Die umliegende Bevölkerung nahm regen Anteil an den Grabungen. Ältere bewohner fanden sich ein und erzählten ihre Erinnerungen aus den 20er und 30er Jahren, gaben wertvolle Hinweise. Noch längst nicht war das legendäre „Kuttenhaus“, das bis 1891 existierende Zechenhaus mit Schankrecht, in Vergessenheit geraten. Doch dazu später.
Über die aus Sicherheitsgründen erfolgte Sprengung des seinerzeit unter Denkmalschutz stehenden Mundloches hatten wir bereits Erkundigungen eingeholt. Doch wohin gelangte der oftmals beschriebene schwere Schlussstein mit Inschrift und gekreuztem Gezähe? Der vor dem Mundloch liegende Steinquader konnte es kaum sein. Emsig haben wir ihn nach Zeichen untersucht. Erst später erfuhren wir aus Unterlagen, dass es sich um den Unterbau eines Ambosses der kleinen Mundlochkaue mit Schmiede handelte, die bereits 1909, also zwei Jahre nach der endgültigen Schließung der Grube zerstört worden war.
Schon hieß es, den Stein hätten Heimatfreunde aus Oberpfannenstiel weggetragen und gesichert. Diese Mär konnte alsbald verworfen werden, nachdem Ulrich Lehner mit uns das Gespräch suchte und wertvolle Hinweise aus seinen Nachforschungen lieferte. Also wurde eine Art Zielprämie in Form einer Flasche Whisky ausgelobt. Wenn den Stein niemand mitgenommen hat, musste er also noch da sein.

Mit Hochdruck wurde in dem sich ständig vergrößerndem Ockertümpel gewühlt. Man kann sich nur noch anhand von Fotos an diese „Sauerei“ erinnern. Die Hände sahen alltäglich aus wie die von Kettenrauchern. Von der Arbeitskleidung ganz zu schweigen! Bis hinter die Ohren fand sich am Arbeitsschluss das Ocker. Die glühende Sommerhitze, ähnlich der von 2018/19, brachte die vier fast zur Verzweiflung, besonders jedoch die Schwärme von Mücken im Wald.

Wanderer staunten nicht schlecht, als fast täglich gegen 13 Uhr der Rumpelsbach stark anschwoll und sich eine gelbe Flutwelle ins Tal wälzte. Und das bei strahlendem Sonnenschein! Eine eilends ausgehobene Absetzgrube mit Reisigfilter brachte nur wenig Linderung. Die Absenkung des Wasserspiegels im völlig abgesoffenen Erbstollen dauerte fast 14 Tage. An manchen Tage fielen deshalb bis zu drei Überstunden an, um den gezügelten Ablauf zu überwachen. Ende August schallte ein Jubelschrei durch den Talgrund. Der Schlussstein kam in der völlig verschlammten und ausgemauerten Wasserseige zum Vorschein. Nun gab es kein Halten mehr. Der alte DDR-Grill (aus der Konsumgüterproduktion der Nachtschicht) wurde angeworfen und die ausgelobte Flasche geköpft. An dem Tag wurde es richtig spät!
Ein weiterer Tag, der uns noch heute in den Gliedern steckt, fällt ebenfalls in den heißen August 1991. In der Mittagspause, die wir gerne an unserem selbst gezimmerten „runden Tisch“ vor dem Bauwagen verbrachten, verspürten wir plötzlich Brandgeruch. Minuten später stiegen im benachbarten Fallbachtal, in dem die Arbeiten im nächsten Jahr aufgenommen werden sollten, dunkle Qualmwolken auf. Also schnell aufs Moped und zum Pförtner des Klinikums in Aue gefahren! Wir restlichen sprangen, dreckig wie wir waren, in den Lada unseres Mitstreiters Peter (er hatte ohnehin gelben Lack und gelbe Kunstlederbezüge), packten einen im Bauwagen gefundenen Feuerlöscher und ein paar Schaufeln und ab ging es über Stock und Stein den ausgerachelten Weg hinauf. heutige Autos würden darüber wohl arg stöhnen!
Es brannten auf einem 1986 angelegten Holzeinschlag die verdorrten Reisigschwaden zwischen der Neuaufforstung. Ob da jemand gezündelt hatte? Gesehen wurde jedenfalls niemand. Die bergauf liegenden Schwaden brannten wie Zündschnüre und drohten den Hochwald anzustecken. Unser Feuerlöscher wirkte wie ein Schnapsglas in einem lodernden Hexenfeuer. Mit Schaufeln war der Hitze wegen nicht viel auszurichten. Alsbald rückten zwei Löschzüge (W50) an. Die Kammeraden dämmten das Rinnsal des Fallbachs an und löschten die in Mitleidenschaft gezogene Neuaufforstung. Heute ist davon nichts mehr zu erahnen.

Im September 1991 fand der erste von uns Arbeit bei der bereits erwähnten Baufirma. Im Arbeitsamt fragte man mich als Verantwortlichen, ob ich keinen Ersatz wüsste. Natürlich! Also fuhren wir spontan nach Oberpfannenstiel zu Ulrich Lehner, der damals ebenfalls gerade arbeitslos war. Er meinte: „Jungs, für mich geht heute ein Kindheitstraum in Erfüllung! Dass ich im Kuttengrund auch noch Geld verdienen darf, hätte ich nie erwartet.“ Schon zwei Tage später stand er im Blaumann an der Schaufel. Ja, so war das damals. Ein ABM-Gruppenleiter besorgte sich seine ausgesuchten Kräfte selbst!
Unter Lehners gschickten Händen entstand dann bis 1992 das rekonstruierte Mundloch des Reichenbach-Hoffnung-Stolln nach alten Befunden neu, aber aus 80% des originalen Bruchsteinmaterials.
Über die Wintermonate stellte Lehner einen Raum in seinem im Umbau befindlichen Haus zur Herstellung der gesamten Lehrpfadbeschilderung zur Verfügung. Die damals per Hand gemalten Wandertafeln taten noch bis 2019 ihre Dienst und wurden nach altem Vorbild erneuert. Die ebenfalls von Ulrich Lehner zur Verfügung gestellte Kettensäge (ein Novum zu DDR-Zeiten!) befindet sich heute im Fundus des Vereines (Baujahr 1972).
Für die Gravur der Infotafeln besorgten wir uns aus der Insolvenzmasse des alten Arbeitgebers eine Kopiermaschine, die wir 1985 selbst mit in der Schlosserwerkstatt aufgearbeitet hatten (Baujahr 1942). Sie kam 1944 bei der Verlegung der Siemenswerke ins Hinterland von Berlin nach Zwönitz, wo u.a. Meß- und Anzeigegeräte für die Luftwaffe und Radarunterstützung hergestellt wurden. Die Maschine funktioniert heute noch und dient gelegentlich der Aufbringung von Gravuren auf unseren Bergbarten.
Im Frühjahr 1992 erfolgte die Umsetzung der Baustelle in das heutige Zentrum des Besucherbergwerkes am einstigen Zechenhaus, dessen Wiederaufbau seit damals favorisiert wird. Genau 100 Jahre nachdem das ursprüngliche Zechenhaus der „Spitzhacke zum Opfer gefallen“ ist, begann die Wiedererschließung des Bergwerkes und seit Frühjahr 2020 liegt die Baugenehmigung vor. Inzwischen hat der Verein über das Programm „Interreg 2021-2027 „ die Fördermittelzusage erhalten. Gegenwärtig ist bereits die Baugrube ausgehoben und die mit dem Bau beauftragte Firma „Bergsicherung Schneeberg GmbH“ arbeitet an den Fundamenten für das neue „Kuttenhaus“, welches als Begegnungsstätte und Wirtschaftsgebäude des Besucherbergwerkes dienen soll.

Am 12. August 1992 gründeten im damaligen Lenkersdorfer Gasthof sieben Mitstreiter den Verein IG Historischer Erzbergbau Lößnitz e.V.. Zwei der einstigen Gründungsmitglieder sind heute noch dabei. Ulrich Lehner, der damals zum zweiten Vorsitzenden gewählt wurde, verstarb zu aller Leid schon Ende 1993. Doch es fand sich mit Bernd Martin aus Aue alsbald Ersatz, der bis heute zur Stange hält. Aktuell zählt der Verein 35 Mitglieder, von Peiting in Oberbayern bis Magdeburg. Unser langjähriges und bis zu seinem Ableben ältestes Fördermitglied, der Architekt Hermann Brede aus Bremen, mit dem den Verfasser seit 1995 eine langjährige Freundschaft verband, verstarb leider im Dezember 2023, kurz vor seinem 101. Geburtstag.
Zum harten Kern zählt wie bei fast jedem Verein eine Gruppe von etwa 10 Personen aus der näheren Umgebung. Bis auf den Wiederaufbau des Zechenhauses hat der Verein bislang alle Visionen und Ziele der Anfangstruppe umgesetzt: einen ca. drei Kilometer langen Bergbaulehrpfad angelegt, die Rekonstruktion zahlreicher bergbaulicher Relikte bewerkstelligt, den Betrieb eines Besucherbergwerkes aufgenommen (abschnittsweise in Erweiterung seit 1994) und die Geschichte des Gebietes literarisch aufgearbeitet.

Jährlich finden mehrere Großveranstaltungen auf dem Platz vor dem einstigen Zechenhaus statt, die stets gut besucht werden. Höhepunkte bilden das Oldie-Live-Konzert am Himmelfahrtstag und natürlich die beiden Mettenschichtaufführungen am 3. Adventswochenende. Schon jetzt hat sich der Verein vorgenommen, bei Fertigstellung des Zechenhauses ein Mega-Fest mit Bergaufzug und Musik zu veranstalten. Dann erst ist das einstige Ensemble rund um die Kuttenzeche wieder komplett. Der Kutten-Tav (Gustav Blechschmidt, gest. 1936), letzter Hutmann der Grube, wäre sicherlich stolz auf seine Nachfolger!
Bis dahin grüßen die Lößnitzer Bergbrüder alle neugierig gewordenen Bergfreunde und Leser mit einem kräftigen